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Jüdische Weisheit

Im Gespräch mit Dan Diner

Amnesie für den Frieden

ISRAEL/PALÄSTINA - Dan Diner, Professor für jüdische Kultur und Geschichte an der Universität Leipzig und der Ben Gurion University of Negev, über die neue/alte religiöse Dimension des Nahostkonfliktes.

FRAGE: Seit Jahrzehnten wird in Israel von einem Friedensprozess gesprochen. Gibt es den überhaupt noch, oder ist er zur Worthülse verkommen?

DAN DINER: Solange beide Konfliktparteien noch von einem Friedensprozess reden, demonstrieren sie nach Außen, dass sie weiterhin an einem Ausgleich interessiert sind. Keiner möchte die Verantwortung dafür übernehmen, den Friedensprozess für tot erklärt zu haben. Dieser Begriff ist zudem wichtig, weil darin auch die gegenseitige Anerkennung symbolisiert wird.

Hat Barak einen Fehler gemacht, als er die Jerusalemfrage aufwarf?

Barak hat die letzte aller Fragen, die Jerusalem-Frage und damit den Endstatus, unmittelbar auf die Tagesordnung gesetzt. Das war im hohen Maße problematisch, wenn davon ausgegangen werden konnte, man habe es hier mit einem politischen Sprengsatz zu tun. Mit der Frage nach dem Status des Tempelberges waren alle Register des historischen Konfliktes gezogen.

Insofern hat die Auseinandersetzung eine neue Dimension, eine religiöse Komponente, hinzugewonnen?

Der Konflikt, der nunmehr explodiert ist, geht um den Tempelberg. Die Palästinenser fordern die volle Souveränität über das Heiligtum. Israel will das nicht zugestehen. Der Heiligkeit des Streitgegenstandes wegen wird der Konflikt allgegenwärtig. Religiöse Konflikte sind im Unterschied zu territorialen nicht eingrenzbar. Damit hat sich die Kompromissfähigkeit der Kontrahenten erheblich reduziert. Man könnte fast sagen: ein geteiltes Heiligtum wäre kein Heiligtum mehr.

Ist dieser Konflikt dann überhaupt lösbar?

Die Lage ist in der Tat sehr komplex. Es gehen mehrere Schichten ineinander über, verstärken sich gegenseitig und erwecken den Anschein, der Konflikt wäre unlösbar. Zum Beispiel im Hinblick auf die Gleichbehandlungsansprüche der arabischen Bevölkerung in Israel. Will man ihnen nachkommen, müsste sich Israel als Staat neu definieren: nicht mehr als jüdischer Staat, sondern als binationales Gemeinwesen. Die Palästinenser in den besetzten Gebieten sind nicht nur Palästinenser, sie sind auch Teil der arabischen und der muslimischen Welt - das ist eine gewaltige Zahl von Menschen. Insofern ist Israel in einer offensichtlichen Minderheitensituation. Philosophisch ausgedrückt: Die Israelis sind zwar aktuell stark, jedoch historisch schwach. Die Palästinenser aktuell schwach, historisch aber stark.

Was bedeutet die Abtretung von Land für die jüdische Bevölkerung?

Das israelische Selbstverständnis hat sich spätestens seit dem 67er Krieg gewandelt, als das biblische Kernland an Israel fiel. Zuvor war es bei weitem säkularer. Die biblischen Landschaften haben es theologisiert. Zudem ist der Konflikt nicht symmetrisch. Beide Partner berufen sich auf verschiedene Legitimationen und verschiedene historische Zeiten, um ihren Standpunkt zu rechtfertigen. Das war den Verhandlungsführern in Oslo 1993 bewusst. Deshalb vereinbarten sie, über alles zu reden, nur nicht über die Vergangenheit. Denn redet man über die Vergangenheit, so hebt jede Seite an, ihr Geschichtsbild absolut zu setzen und Identitäten zu definieren. Da kann es freilich keinen Kompromiss geben. Nur in der Gegenwart ist ein Ausgleich möglich.

Wie sieht eine Lösung aus, bei der beide Seiten ihre Essentials wahren können?

Beide Parteien müssen lernen, die Vergangenheit des Konfliktes zu vergessen, ihn nur unter den gegenwärtigen Bedingungen zu betrachten. So gesehen, gibt es zwei Parteien, die mit jeweils etwa fünf Millionen Menschen demographisch ungefähr gleich stark sind. Auf der Grundlage nationalstaatlicher Überlegungen müssen sie versuchen, in zwei Territorien miteinander zu leben. Angesichts der vorausgegangenen Analyse mag dies zwar eine Fiktion sein. Aber diese Fiktion ist die einzige Hoffnung. Was theoretisch in der Analyse des asymmetrischen Konflikts richtig ist, kann praktisch falsch sein. Denn oftmals sind Amnesien die einzige Möglichkeit, sich zu einigen.

(Dokumentiert in Auszügen aus AUFBAU, New York, vom 23.11. 2000 / freitag.de)


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