Moshe Zimmermann
Wende in IsraelWie gespalten die israelische Gesellschaft ist, haben die Ermordung Rabins
und der Wahlerfolg Netanyahus demonstriert. Das 'nationale Lager' und das 'Friedenslager'
grenzen sich deutlich voneinander ab. Noch tiefer ist die Kluft zwischen den liberalen
Juden und den orthodox-fundamentalistischen Anhängern verschiedener Rabbinermeinungen.
Poltik und Gesellschaft bewegen sich zwischen den vermeintlichen Polen Demokratie und
Theokratie.
Der 'Konflikt der Kulturen' kann das zionistische Kapitel
beenden. Jene Gruppierungen, die mit der Idee des Zionismus den Staat Israel erschaffen,
aufgebaut und jahrzehntelang geprägt haben, werden inzwischen als post-zionistisch
verunglimpft. Den Kibuzim zB wurde vor kurzem untersagt, in ihre Ulpanim Einwanderer
aufzunehmen, da ihre Ideale den heute regierenden Kräften schädlich erscheinen.
Der Charakter des Staates steht zur Disposition:
Soll Israel ein friedlicher, demokratischer, moderner westlich-orientierter Staat sein,
oder soll Israel ein in jeder Hinsicht 'halachisch-rabbinischer' Staat sein, der seine
Bürger zur 'Orthodoxie' zwingt?
Soll Israel die arabischen Israelis als Bürger zweiter Klasse definieren?
Soll Israel Anspruch auf Ganz-Israel erheben?
Der Staat Israel, der im Mai 1998 sein 50-jähriges Bestehen
feiern wird, steht zweifellos an einem Wendepunkt. Zimmermanns Studie über die
tiefgreifenden Veränderungen und Verschiebungen, die Israel in den letzten Jahrzehnten
erfahren hat, eröffnen vielfach übersehene Blickwinkel, die deutlich machen, vor welch
spannungsgeladener innen- und außenpolitischer Auseinandersetzung das Land steht.
Das Zukunfts-Szenarium, welches sich aus diesen Analysen
ergibt, ist teilweise entmutigend und bedrückend. Das Buch liefert durch Erklärungen und
Hintergründe aber auch die Möglichkeit zum Verstehen und Handeln.
Dieses kleine Buch ist eine Pflichtlektüre. Zumindest für
alle Juden, denen das Schicksal des wirklichen Staates Israel und seiner wahren Probleme
am Herzen liegt.
Ernsthaft lieben kann man nur was man erkennen will. Um wirkliches Erkennen mühen, kann
man sich nur liebend.
Jene die den Staat Israel nur als Traumbild, als Hilfsmittel zur Realitätsflucht, bzw.
zur Kompensation einer (bei soviel Verdrängung hoffentlich angenehmen) Existenz im
deutschen oder sonstigen Galluth, gebrauchen, dürfen getrost auch auf die Lektüre dieses
Buches verzichten - es könnte sie zu sehr anstrengen oder gar verwirren.
(dg)
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