sueddeutsche.de
24. Dezember 2002
Mit Tücke auf
die Liste
In Israel haben sich Scharons innerparteiliche Gegner die besten
Kandidatenplätze erkauft
Thorsten Schmitz
Die Parlamentswahlen in Israel am 28. Januar werden von einem
Bestechungsskandal überschattet, der immer weitere Kreise zieht. Der
Generalstaatsanwalt hat vor einer Woche ein Ermittlungsverfahren gegen
die Likud-Partei von Premierminister Ariel Scharon wegen versuchter
Korruption bei der Nominierung der Kandidaten für die Parlamentswahl
eingeleitet. Bei der parteiinternen Wahl am 8. Dezember sollen einige
der 2940 Mitglieder des Zentralkomitees andere Likud-Mitglieder erpresst
haben. Sie sollen Aufenthalte in Luxus-Hotels und Schmiergelder dafür
gezahlt haben, um auf vordere Listenplätze gewählt zu werden.
Im Gegensatz zur Arbeiterpartei Awoda, die ihre Kandidaten von allen
110000 Parteimitgliedern wählen lässt, werden die Kandidatenlisten im
Likud seit 1996 von den 2940 Wahldelegierten bestimmt. Das Ergebnis der
Nominierungen hatte viele überrascht, da unbekannte Likud-Mitgliedder
auf vorderen und bekannte Politiker der Regierungspartei abgeschlagen
auf hinteren Plätzen gelandet waren. Unter den ersten zehn Kandidaten
findet sich nur ein Gefolgsmann von Premier Scharon. Selbst dessen Sohn
Omri landete nur auf Platz 27. Scharon kündigte an, künftig sollten die
Kandidaten von allen 300000 Likud-Mitgliedern gewählt werden. In den
Skandal soll nun auch ein Abgeordneter verwickelt sein. Bislang wurden
zehn Likud-Mitglieder vernommen, zwei stehen unter Hausarrest, einer
sitzt in Untersuchungshaft.
Der Skandal schadet Scharon in zweifacher Hinsicht. In Umfragen liegt
der Likud zwar mit bis zu 35 Mandaten bei der Wahl noch immer weit vorne
und wird deshalb wohl auch den Regierungschef stellen. Doch vor
Bekanntwerden der Korruptionsaffäre waren dem Likud bis zu 45 Mandate
vorausgesagt worden. Zudem wird die Likud-Wahlliste Scharon das Regieren
erschweren und einen innerparteilichen Machtkampf auslösen. Auf den
vorderen Plätzen sind fast ausnahmslos Kandidaten nominiert worden, die
sich ausdrücklich gegen die Schaffung eines Palästinenserstaates
aussprechen. Scharon jedoch hatte, auch im Hinblick auf das
Wählerspektrum der Mitte, in einer Rede Anfang Dezember einen
Palästinenserstaat in Aussicht gestellt, falls die Palästinenser ihre
Gewalt stoppten und Präsident Jassir Arafat abwählten.
Scharon steht nun einsam da. Sein enger Vertrauter Ruwen Rivlin etwa kam
auf einen aussichtslosen Platz, Jerusalems Bürgermeister Ehud Olmert nur
mit Mühe auf Platz 33, von dem aus er womöglich gerade noch ins
Parlament einziehen wird. Stattdessen folgen Scharon auf Platz 2 sein
Parteirivale Benjamin Netanjahu, auf Platz 3 bereits Umweltminister
Zachi Hanegbi und auf den nachfolgenden Plätzen deren Anhänger
allesamt erklärte Palästina-Gegner. Am Wochenende drohte Scharon, er
werde keinen zum Minister ernennen, der sein politisches Programm nicht
unterstütze. Die Schadenfreude, mit die Arbeiterpartei reagiert, könnte
freilich verfrüht sein: Seit gestern ermittelt das Betrugsdezernat der
Polizei gegen ein Awoda-Mitglied, das sich seinen sicheren Knesset-Platz
erkauft haben soll.
Unsere schlimme Lage ist unser wahrer Zustand:
Die Tiefen des Jüdischen Bewusstseins
Vielleicht liegt Israels schlimme Lage am Ende gar nicht
nur an äußeren und damit wenigstens theoretisch lösbaren Problemen,
sondern an der inneren Disposition des Volkes...
Links denken, rechts wählen:
Lehren aus der blutigen Statistik
Warum
sind die Israelis auf lange Sicht gesehen Tauben, auf kurze Sicht jedoch
Falken? Und warum möchten sie Ariel Sharon als Premierminister, obwohl
sie glauben, dass die Siedlungen in den Territorien evakuiert werden
sollten?
Wahlstrategien in Israel:
Wie man Sharon helfen kann
Wenn man Sharon helfen will, an der Macht zu bleiben
dann gibt es hier ein paar nützliche Ratschläge...
Der Staat Israel wird katastrophal regiert:
Tief in der Patsche
Anstatt die klügsten, gebildetsten und
professionellsten Leute ins israelische Parlament zu holen, setzt man
uns eine Ansammlung bizarrer Typen vor...
Nicht nur Likud und Awodah stehen zur Wahl:
Die kleineren Parteien als Alternative?
Ob das vernichtende Urteil der Öffentlichkeit über die
beiden großen Parteien lange Bestand haben wird, ist zu bezweifeln...
Wie wird die Kneseth im Januar aussehen?
Prognosen zur Wahl
Laut einer Umfrage des Instituts Dachaf
(Leiterin Mina Zemach), im Auftrag der Tageszeitung Jedioth achronoth
gingen die Stimmen für den regierenden Likud auf 33 Mandate zurück...
Schon
im Vorfeld:
Vorwürfe im Likud
Bei der Aufstellung der
Kandidaten für die Parlamentswahlen soll es in Israels Regierungspartei
zu Korruption und Bestechung gekommen sein...
"Chaos",
"Basar", "Karneval":
Tumulte bei den Vorwahlen im Likud
Aus dem Misserfolg Sharons, seine Leute in die
Parteispitze hineinzumanövrieren, resultiert die Befürchtung, dass die
Partei durch das Vordringen der Netanyahu-Anhänger ein rechtsradikales
Image bekommt...
Die Parteichefs nach links:
Die
Basis nach rechts
Der Likud unter Sharon kann sich als
Netanyahus Likud entpuppen, und die Arbeitspartei unter Mitzna kann sich
zu einer militanten Partei à la Fuad mausern...
Ansichten aus Israel:
Abraham zwischen den Welten
 
[Buch
/
CD]
hagalil.com / 29-12-02
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