"Wieviel Blut muss eigentlich noch fließen?":
Terror an der Nordgrenze
Letzte Woche wurden an der Nordgrenze zwei Soldaten schwer verwundet;
einer von ihnen verlor beide Beine. Es ist nicht auszuschließen, dass
die Terroristen geplant hatten Soldaten zu entführen. Die Hisbollah
bestreitet, mit dem Anschlag zu tun zu haben.
Infolge des Zwischenfalls stellt sich unter anderem
die Frage, warum das elektronische Warnsystem, das Bewegungen am
Grenzzaun meldet, nicht funktioniert hat.
In einem Leitartikel des M'ariw fragt Amir Rappaport "Wieviel
Blut muss eigentlich noch fließen, bis Israel reagiert?" und betont,
dass es genau diese Grage sei, die gestern nach dem Anschlag an der
libanesischen Grenze zur Debatte stand, auch wenn keiner der hohen
Militärs diese Frage mit derselben Schärfe formuliert hat. Der Anschlag
war gegen Soldaten gerichtet, die rein routinemäßig laufende
Sicherheitsaufgaben zum Schutz der Einwohner der Grenzgebiete
wahrnahmen. Die Sprengladung, die offenbar als Felsbrocken getarnt und
daher den Spurenlesern nicht aufgefallen war, wurde von der
libanesischen Seite auf einen Jeep mit Soldaten der drusischen
IDF-Brigade Einheit geworfen, die an der Grenze patrouillierte.
Die Methode des Anschlags erinnert Rapaport an die
Angriffe der Hisbollah zur Zeit der israelischen Präsenz im Südlibanon:
"Die Armee hatte in der Tat guten Grund, der Hisbollah den Anschlag
zuzuschreiben, zumal diese de facto den Südlibanon kontrolliert. Für
Israel ist das ein Problem, weil die Hisbollah keine bequeme Adresse für
einen Gegenschlag ist, und sei es nur deshalb, weil sie fast zehntausend
Katyusha- und Raketenstellungen an der Grenze von Israel eingerichtet
hat, die den ganzen Norden bis Hadera bestreichen können. Das ist
tatsächlich eine Bilanz des Schreckens: das letzte, was Israel jetzt
gebrauchen kann, ist eine neue Front im Norden.
Die Bilanz des Schreckens mit der Hisbollah ist auch
der Grund, warum der Kommandierende General des Nordabschnitt so schnell
bei der Hand war, Syrien und der schwachen libanesischen Regierung die
Schuld an dem Anschlag zu geben, obwohl gar nicht sicher ist, dass der
Anschlag in ihrem Interesse war. Eine der größten Befürchtungen des
israelischen Sicherheitswesens besteht darin, dass die brisante Lage im
Norden die ganze Region in Brand stecken kann. Die Hisbollah kann auf
Grund der bisher gesammelten Erfahrungen annehmen, dass Israel wegen
dieser Befürchtung auch diesmal Zurückhaltung üben wird. Doch gerade
deswegen muss Israel sich klarmachen, dass der gestrige Anschlag der
Hisbollah erst der Auftakt zu einer Serie sein könnte, mit der die
Organisation testen will, welchen Blutzoll Israel zu entrichten bereit
ist, bevor es zur Reaktion übergeht."
Die Hisbollah drohte inzwischen "Wir haben
beschlossen, wieder auf die Methode der Entführung von Soldaten
zurückzugreifen" und der deutsche Nachrichtendienst warnte, dass Imad
Mornier, der operative Chef der Hisbollah, der hinter den Anschläge auf
die israelische Botschaft und das Haus der Jüdischen Gemeinde in Buenos
Aires in den neunziger Jahren stand, gemeinsam mit der Al Qaida
Terrorakte gegen israelische und jüdische Ziele plant.
Die IDF sorgen vorerst wieder für die interne Bewachung der nördlichen
Siedlungen, nachdem die Siedlungen lange Jahre hindurch nur von außen
bewacht wurden, weil man befürchtet, dass die Sprengladung, die beim
Moschaw Sarit explodierte, der Beginn einer größeren Offensive ist.
Yael Gevirtz, Jedioth, sieht hier ein weiteres Thema, das wegen der
Vorwahlen der Parteien beiseitegedrängt wird: "Wieder bekamen wir statt
einer politischen Reaktion den Kommentar des Kommandierenden Generals
der Nordfront. Wir machen dem General keinen Vorwurf, wir wenden uns nur
gegen den verwerflichen Usus, dass der Armeechef und hohe Militärs sich
in ihren Stellungnahmen nicht auf den militärischen Aspekt der
Ereignisse beschränken, sondern sich zu Sprechern und Gestaltern der
israelischen Politik aufwerfen. In einer funktionierenden Demokratie
fällt diese Aufgabe der politischen Ebene zu, und politische
Einschätzungen werden vom Außenmininisterium und nicht vom
Nachrichtendienst der Armee geliefert. Wozu brauchen wir sonst Wahlen?
Dann können wir uns ja gleich mit dem Armeechef begnügen".
dg / hagalil.com / 15-12-02
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