Die erste Runde auf dem Wege zum
Haushaltsplan für das Jahr 2005 hat Finanzminister Benjamin Netanjahu
mit den Stimmen der Mehrheit der Minister gewonnen.
Von Ilan Hameiri
Welcher Haushaltsplan bis Ende dieses Jahres bestätigt wird, bleibt
eine offene Frage, schon deshalb, weil niemand weiß, welche Koalition
hierüber entscheiden wird. Der frühere Finanzminister Beige Schochat erklärte bereits, der Budgetrahmen
des
Jahres 2005 müsse zum gleichen Prozentsatz ansteigen wie der Anwuchs der Landesbevölkerung, sonst wird noch mehr Armut im Lande
herrschen.
Doch wie kann Minister Netanjahu mehr Gelder für Sozialleistungen als die von ihm bereits
bewilligten Zulagen aufbringen? Für ihn gilt
doch als Hauptziel, dass jetzt vor allem der Wagen zur Wirtschaftsblüte angeschoben werden
muss. Hierfür wären aber Beihilfen zum Aufbau
neuer Produktionsbetriebe erforderlich.
Dieser Punkt fehlt im Entwurf des Haushaltsplanes, obwohl die Streichung vieler
bisheriger
Steuernachlässe mehr Geld in die Staatskasse fließen lässt. Der eingeplante Anstieg der Wirtschaftsblüte scheint gesichert zu sein. Die Staatsbank erhöht ihre Prognose sogar auf 3,7
Prozent,
doch andere Wirtschaftsexperten befürchten
eine erneute weltweite Stagnation im Jahr 2005,
so dass Israel mit einem Anstieg seiner Wirtschaftsblüte um nur 3 Prozent rechnen
kann.
Dann müssten zusätzliche drei Milliarden Schekel im Staatshaushalt gekürzt werden. Auch
die Finanzierung des Abzugs aus dem Gazastreifen
(rund fünf Milliarden Schekel) mit Beihilfen
oder Spenden aus dem Ausland ist noch keineswegs finanziell abgesichert. Der von der Regierung bestätigte Budgetrahmen ist also noch nicht
fixiert.
Liberalisierung schafft keine neuen
Arbeitsplätze
Finanzminister Netanjahu will vor allem
von der Regierung zu zahlenden Gehälter einsparen. Tausende Beamte öffentlicher Institutionen müssen ausscheiden, vor allem durch
freiwilligen Verzicht auf ihre Posten und durch Streichung überflüssiger Planstellen. Das Militär
muss 1,5 Milliarden Schekel einsparen und
erwägt bereits die schon lange fällige Kürzung des Pflichtdienstes auf zwei Jahre und die Einschränkung von Einberufungen zum Reservedienst. Aber wo können die aus dem Staatsdienst
Entlassenen neue Arbeit finden?
Die von Netanjahu gepriesene Besserung
Wirtschaftslage ist nicht so wie geschildert, sagt
sein Ministerkollege Ehud Olmert: Im vergangenen Jahr wurden keine 70.000 neuen Arbeitsplätze geschaffen, sondern bloß 15.000, was
das Zentralamt für Statistik bestätigte. Anscheinend hat Netanjahu die gekündigten
Arbeitsnehmer von der Gesamtzahl nicht abgezogen.
Daten, die er der Regierungssitzung vorlegte,
konnten von keinem der Minister nachgeprüft
werden, fügte Olmert hinzu.
Die fast einzige Nachfrage nach Arbeitskräften besteht derzeit in Bezug
auf die Arbeitsplätze, die nach der Ausweisung von Gastarbeitern frei
geworden sind. Die Privatisierung der Energieversorgung und der Großbanken bringt mit
sich eine Rationalisierung durch Einsparung von
Löhnen für nicht unbedingt erforderliche Arbeitskräfte, also auch mehr
Kündigungen als Angebote neuer Arbeitsplätze, um konkurrenzfähig
bleiben zu können. Ob das Durchschnittseinkommen bei den Banken und Versicherungen
auch weiter den bisherigen Spitzenreiter, die
Elektrizitätsgesellschaft, übersteigen wird, ist
eine nebensächliche Frage.
Der Aufbau einer
fünften Krankenkasse, als Tochtergesellschaft einer Versicherungsfirma, wird mehr Konkurrenz
ins Angebot bringen, jedoch keine neuen Arbeitsplätze schaffen. Die Zulassung von mehreren
autorisierten Importeuren des gleichen Produzenten, z.B. für Autos, wird eine 10-prozentige
Verbilligung der Autopreise zur Folge haben, das
heißt aber auch noch mehr verstopfte Straßen
und noch mehr Verkehrsunfälle mit entsprechenden Kosten - an Leben, aber auch an Geld. Auch
ein billigerer Tarif für Gespräche über Zellulartelefone von derzeit 45 Agorot auf 15 Agorot bis
zum Jahr 2006 ändert natürlich nichts an der
Arbeitslosenstatistik.
Wer soll also die Steuern zur Deckung dieses
Haushaltplanes aufbringen? Statt einer Senkung
der Mehrwertsteuer wird nun auch in Eilat diese
Steuer angehoben werden, sogar mit einem gewissen Recht, denn Eilat ist schon längst nicht
mehr Notstandsgebiet. Die Besteuerung aller
Lotto- und Totogewinne ist überall in der Welt
üblich. Die jetzt erfolgte Begrenzung der steuer-
freien Einzahlungen auf Fortbildungsfonds war
insofern berechtigt, weil dieses Geld größtenteils
nicht zur Finanzierung einer beruflichen Fortbildung diente. Vielmehr sind dies Spargelder, die
leichter als die von den Pensionsfonds abgehoben
und allerdings zum Konsum verwendet werden
können.
Dass die Wohnungen auf staatlichen
Grundstücken, die - rein formell - bisher für 49
Jahre von der Liegenschaftsverwaltung an die
Mieter verpachtet wurden (es sind dies 93 Prozent aller Wohnungen) in das Eigentum ihrer Bewohner übergehen sollen, ist gut. Es lindert aber
nicht die Not der Mittellosen.
Zum Glück wurden die Kürzungen im Erziehungswesen gestrichen und müssen Studenten, die einen zur An-
kurbelung der Wirtschaft erforderlichen Beruf erlernen, keine höheren
Studiengebühren zahlen. Natürlich ist erfreulich, dass die Senioren, die
nicht mehr arbeiten können, im Rahmen des neuen Programms um 250 Schekel
höhere Altersrenten erhalten sollen. Aber warum müssen über 70 Jahre
alte Senioren, die noch immer berufstätig sind, auf eine Rückzahlung
ihrer jahrelang an die Nationalversicherung abgeführten
Versicherungsbeiträge verzichten, falls ihnen diese Arbeit zwischen
10.000 und 15.000 Schekel pro Monat einbringt? Andererseits werden den
Ehepaaren, von denen nur einer arbeitet, Pluspunkte von mehr als 1000
Schekel bei der Veranlagung zur Einkommenssteuerzahlung abgezogen. Welche Bevölkerungsschichten will also Netanjahu im Rahmen seines Haushaltsplanes begünstigen: Jene, die gerne arbeiten möchten,
oder jene, die nicht arbeiten wollen?
Die Wähler bevorzugten
diese Wirtschaftspolitik
Wer konnte von Finanzminister Netanjahu,
der einer liberalen und sogar antisozialistischen
Partei angehört, einen anderen Budgetvorschlag
für das Jahr 2005 erwarten? Ein Drittel der israelischen Wähler gab dem Likud 40 Knessetmandate.
Der Arbeitspartei, die in keinem der Jahre, in denen sie die
Wirtschaftspolitik festlegte, eine derart krasse Armuts- und Arbeitslosenrate wie heutzutage produzierte, gaben die Wähler nur 19 Mandate. Die Gewerkschaftspartei erlangte sogar bloß drei Mandate, obwohl sie sich
rühmt, die Rechte der arbeitenden Bevölkerung
erkämpft zu haben - allerdings mit Schäden von
Milliarden Schekeln, die den produzierenden Exportbetrieben durch den Hafenstreik verursacht
wurden, und mit zusätzlichen Schäden, die sie
mit bereits angedrohten Streiks hinzuzufügen
plant. Obwohl Schas seinen Wählern nach dem
Muster der Aguda einredet, dass man leben
könne, auch ohne zu arbeiten, gaben sie ihr nur
elf Mandate, jedoch bevorzugen jetzt mehr als 50
Prozent der Likudmitglieder nicht die Arbeitspartei, sondern die Schas als Koalitionspartner.
Tatsache bleibt, dass die bisher fast alljährliche Erhöhung des Budgets für Sozialhilfe keinen
Rückgang der Armutsrate erbrachte. Wenn sich
aber Netanjahu nicht weitaus intensiver der
Schaffung neuer Arbeitsplätze widmet, wird sein
Haushaltsplan nur einen noch höheren Anstieg
der Armut mit sich bringen.