hebrew.hagalil.com / hebraeisch.israel-live.de / hagalil.co.il

Mit der Hilfe des Himmels

hagalil.com
Search haGalil
e-Postkarten
Koscher leben...
Tourismus

Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

Hebräische Buchstaben im Spiel
Zeitung in einfachem Hebräisch
Jüdische Weisheit

Israel Nachrichten - die deutschsprachige Tageszeitung aus Tel-Aviv

Hitler-Mode:
Perverses Eigentor in Israel

Von Alice Schwarz

Israels Medien berichteten mit Riesen-Schlagzeilen und vielen dramatischen Fotos über die heftige interne Auseinandersetzung zwischen den Befürwortern und fanatischen Gegnern der Entflechtung im Gazastreifen und Westjordanland. Ein Blatt, "Maariv", sprach von einem "Eigentor" der Siedler, die sich selbst schadeten: Mit ihrer gewaltsamen Stilllegung des Straßenverkehrs zur Hauptverkehrszeit hätten sie sich viele Sympathien verscherzt. Von einem anderen erstaunlichen israelischen Eigentor war in den Blättern nur wenig die Rede: Es ist auch zum Glück eine Randerscheinung, wenn auch eine psychologisch sehr sonderbare und bemerkenswerte. Es handelt sich um ein israelisches Monodrama über - Adolf Hitler.

Noch läuft in Israels Kinos der umstrittene Film "Der Untergang" - über die letzten Tage Adolf Hitlers vor seinem Selbstmord im "Führerbunker" - Buch und Produzent: Bernd Eichinger, Regie: Oliver Hirschbiegel, mit Schauspieler Bruno Ganz in der Hauptrolle als Hitler. Noch ist auch die Debatte über diesen Film nicht ganz verstummt, obwohl die Diskussion der Legitimität seiner Aufrührung in Israel überholt ist. Der Film läuft nämlich vor fast ausverkauften Sälen. Jetzt kommt aber auch noch das Monodrama eines jungen israelischen Schauspielers dazu. Zuviel des Guten oder vielmehr Schlechten. Hitler ein Modeschlager?

Es ist fast unglaublich, mit welcher Seelenruhe man in Israel diese "Geschichtsbetrachtung" entgegennimmt. In dem gleichen Land, das bis heute öffentliche Darbietungen von Wagner-Musik ablehnt, weil "Wagner ein rabiater Antisemit und Hitlers zu ideologischen Zwecken verwendeter Lieblingskomponist war", ist Hitler hier gleich zweimal "leibhaftig" - auf der Filmleinwand bzw. Bühne - zu sehen.

Um es vorweg zu nehmen: "Der Untergang" ist ein faszinierender Film. Es ist nicht anzunehmen, dass er in Deutschland, wie befürchtet, die Hitler-Sympathien beleben könnte. "Der Spiegel" freilich hat ihn auch als "Kunstwerk" verrissen. Und mit Recht fragt das für den man unerlaubt freundliche Gefühle entwickelt." Denn Hitler wird nicht nur gezeigt, wie er wütet, heult, schreit, nicht mehr vorhandene Armeen, Kinder und Senioren in den verlorenen Kampf schickt, sowie sein Volk als ehrlos, verflucht und zu opfern bereit ist: Er wird auch als "Mensch" vorgeführt, der Eva Braun auf den Mund küsst, seinen Hund Blondi tätschelt. Im Kreis der ihm hörigen Damen, darunter Eva und seine Sekretärin, verschlingt er seine Henkersmahlzeit, Spaghetti mit Tomatensauce, wischt sich den Mund mit der Serviette ab, und lobt die Köchin, um einige Stunden später Eva Braun und sich selber zu töten. Den geliebten Hund Blondi nicht zu vergessen.

"Es sind betuliche Szenen wie diese, die um den Film "Der Untergang" schon Wochen vor dem Kinostart heftigen Medienrummel ausgelöst haben", schreibt "Der Spiegel". Das Blatt befindet weiter: "Wenn man sich im fiktionalen Raum des Kunstwerks Film bewegt, darf man interpretieren, karikieren, vereinfachen und natürlich provozieren. Doch wehe, es tarnt sich ein Filmemacher mit dem Deckmantel der Quasi-Authentizität und entwirft seinen Hitler-Film als großes Drama, rekrutiert dazu noch fast die gesamte deutsche Leinwandprominenz als Darstellerriege - er kann sich einer lebhaften, erneuten Diskussion der "Darf-man-das"- Frage sicher sein."

In diesem Hitler-Film gibt es weiter Straßenszenen der Schlacht um Berlin, die "das Leid des deutschen Volkes wiedergeben sollen". Doch der Holocaust wird in einem einzigen Satz abgetan. "Der Spiegel": "Das ganze deutsche Volk ist Hitlers Opfer, scheinen diese Sequenzen zu sagen. Der millionenfache Mord an den Juden bleibt unerwähnt."

Das deutsche Nachrichtenmagazin bezeichnet den Streifen als einen "überflüssigen Film" und kommt zu dem Schluss: "Der Holocaust ist nichts das Thema dieses Films. Eichinger wollte die Spiegelung der Soziologie des Dritten Reichs in einer zugespitzten Situation, das Herantasten an die Hitler-Bewältigung - und scheitert daran, dass ein unbefangener Umgang mit der Figur Hitler schlicht nicht möglich ist."

Doch was die deutsche Kritik alen Publikumserfolgen des Film zum Trotz als "überflüssig" und "unmöglich" ansieht, ist dem Israeli Jagil Eliras als notwendig und möglich erschienen. Und so steht er denn eine Stunde und zwanzig Minuten lang auf der Bühne - und "ist Hitler". Vom Kleinkind an, das von seiner Mutter verwöhnt wird, über den Vorzugsschüler in der Volksschule, den Versager in der Mittelschule, bis zum Chorsänger, der vom Pfarramt träumt, und zum Maler, der sich als "Künstler" bezeichnet, obwohl ihm die Aufnahme in die Akademie verweigert wurde. Hitler besucht zum ersten Mal im Leben die Oper und ist begeistert, er tritt in die Armee ein und kämpft im Ersten Weltkrieg, den seine Seite verliert. Mit seinem Eintritt als Dreißigjähriger in die Nationalsozialistische Partei endet das Stück.

Eliras hat für sein Monodrama gründlich recherchiert, und dabei half ihm die Leiterin des "Zirkels für Theorie und Geschichte" an der Bezalel-Akademie in Jerusalem, Dr. Rena Arieli-Horwitz. Sie ist die Verfasserin des Buches "Romantik aus Stahl" - über die Verbindung von Kunst und Politik im Dritten Reich. Sie stellt fest, es habe in Israel "Jahre lang keinerlei Legitimation für die Befassung mit der persönlichen Geschichte Hitlers außerhalb von Krieg und Schoah gegeben". Jeder Versuch scheiterte an der kritischen Bemerkung, die Darstellung Hitlers als Mensch und nicht als Dämon könne vielleicht "zu einem Verständnis für ihn führen". Wenn man sich zu seiner Kindheit und seinen Tagträumen bezieht, wird Hitlers Gestalt in der Tat "vermenschlicht", und die Herauslösung Hitlers aus der Konzeption als "Ungeheuer" sei nicht einfach. Doch sei nicht zu leugnen, dass er ein Mensch war, und dass
ein Mensch das Ungeheuerliche erdacht hat.

Eliras glaubt, man müsse "dem Ungeheuer in die Augen sehen". Seiner Ansicht nach wird die Beschäftigung mit der Schoah in Israel zur Routine, die Feierlichkeiten, die Ansprache des Staatspräsidenten zum Holocaust-Tag werden zur erstarrten Formalität. Ob aber seine "Vermenschlichung" des Oberhenkers zum besseren Verständnis des Holocaust führt, steht auf einem anderen Blatt. Eliras geht ja noch einen großen Schritt weiter als der Film "Der Untergang", der unter den deutschen Hitler-Filmen bisher in Richtung der "Vermenschlichung" Hitlers - trotz wahnhaften Reden und hysterischen Zornanfällen - am Weitesten geht.

Wenn "Der Spiegel" den Film "Der Untergang" "überflüssig" nennt, dann weiß man nicht, wie man das Unternehmen von Eliras betiteln soll. Mega-überflüssig? Ein Hohn und Spott? Eine Beleidigung?

Zieht man aber gar in Betracht, dass der Schauspieler und Textverfasser auch noch eine Beziehung zum Israel von heute (und natürlich zur Politik in den Gebieten) zieht, dann bleibt einem überhaupt nichts mehr zu sagen übrig. Dann möchte man nur das berühmte Wort von Max Liebermann zu Hitler anwenden: "Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen könnte."

IN / 01-07-05
hagalil.com / 03-07-05


DE-Titel
US-Titel

Jeden Freitag neu:
Moishe Hundesohn


Dossier zur Loslösung: Rückzug aus Gaza Wahlen in Israel - 28-01-2003 IRAK Special 2003
haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln die Meinungen der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.

Kontakt: hagalil@hagalil.comhaGalil onLine
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2004 © by haGalil onLine®
bzw. den angegebenen Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved
haGalil onLine - Editorial
Impressum