Verliebt wie ein junges Paar
Efraim Kischon und seine dritte Frau Lisa
Er ist 75, sie 47 Jahre alt, und sie sind ineinander verliebt wie
ein junges Paar. "Sie sah so strahlend und sexy aus. Ich gab ihr einen
Kuss auf die Wange," erinnert sich Kishon an seine erste Begegnung mit
Lisa, seiner jetzigen, dritten Gemahlin. "Ich habe seine Biographie
gelesen, und als ich sie ausgelesen hatte, war ich schon in ihn
verliebt. Ich dachte mir im Stillen: das ist der Mann, den ich mir
wünsche," berichtet Lisa.
"Jedioth Achronoth" führte ein erstes
Gespräch mit dem frischgebackenen Paar.
Dieser Tage beendete Ephraim Kishon sein 50. Buch. Es handelt von
einem Mann und seiner Geliebten, von einem völlig unbegabten
Schauspieler, dem es gelingt, berühmt zu werden, und der von den Medien
verfolgt wird. Kishon, der vor etwas mehr als einem Jahr Witwer wurde
und unlängst zum dritten Mal geheiratet hat, gesteht offen, dass er
dieses Buch nicht zu Lebzeiten seiner zweiten Frau Sara hätte schreiben
können, weil er nicht riskieren wollte, sie zu verletzen.
Kishon schreibt am liebsten in der Kleinstadt, in der er zeitweise
wohnt: in Appenzell, einer abgelegenen, malerischen Ortschaft in der
Schweiz. Doch vorige Woche, unmittelbar nach Abschluss seines Buches,
hatte er es eilig, nach Hause, nach Israel zurück zu kehren, um seiner
frisch gebackenen Frau sein geliebtes Heimatland zu zeigen.
In seinem Haus in dem Tel Aviver Vorort Afeka gibt er sein erstes
Interview im Beisein seiner Frau und ist dabei aufgeregt wie ein junger
Bräutigam.
"Ich bin Lisa Kishon, früher Lisa Witasek", stellt sich Lisa vor, und
Ephraim Kishon ermahnt sie: "Vergiss nicht Deinen Doktortitel. Du bist
nicht nur 'die Frau von...'. Du bist selbst eine Schriftstellerin und
hast schon sechs eigene Bücher veröffentlicht. So haben wir uns übrigens
auch kennen gelernt - unser Verleger hat uns miteinander bekannt
gemacht, und ich kann ihm dafür gar nicht genug dankbar sein.'"
Er sitzt in seinem winzigen Arbeitszimmer, das er so sehr liebt, in
seinem alten Sessel, vor seiner Bibliothek, die von seinen in Dutzende
Sprachen übersetzten Büchern überquillt. Zwischendurch beugt er sich
immer wieder zu Lisa hinüber, um sie zu streicheln, ihr die Hand zu
küssen und sie mit deutschen Kosenamen zu überhäufen. Lisa lacht viel,
und Ephraim mahnt sie, mit ihrer Heiterkeit keinen falschen Eindruck zu
erwecken. Er findet, dass sie auf diese Weise ihre Persönlichkeit
verbirgt. "Dabei ist sie außerordentlich klug," versichert er.
"Ich habe voller Ungeduld
auf die Begegnung mit ihm gewartet"
Sie ist eine sehr schöne Frau und sieht mit ihren 47 Jahren jünger
aus, als sie ist. Sie ist in Salzburg geboren, zweimal geschieden, und
hat in den vergangenen 17 Jahren in Wien gelebt. Sie ist Doktor der
Philosophie und leitet eine Abteilung im Wiener Konservatorium. "Ich bin
aus Salzburg nach Wien gezogen, weil ich die Leute dort nicht leiden
konnte. Viele Schriftsteller, die in meiner Gegend wohnten, waren
neurotisch, schwierig im Umgang mit ihren Mitmenschen und
sauertöpfisch.'"
Mit dem Schriftstellern hat sie schon als Zehnjährige begonnen. Ihr
Stil ist ironisch und humorvoll. Kishon hat eines ihrer Bücher gelesen
und war begeistert. "Diese scharf pointierte Schreibweise brachte mich
zum Lachen. Sie zwingt den Leser, sich die geschilderte Situation weiter
auszumalen. Ich war neugierig zu erfahren, wer diese Frau ist, die mich
mit ihrem Schreibstil zum Lachen gebracht hat."
Aus Protest gegen die Erziehungsmethode ihrer Mutter hat Lisa
beschlossen, auf eigene Kinder zu verzichten. "Ich war kein glückliches
Kind. Als ich erwachsen war, beschloss ich, niemals selber Kinder zur
Welt zu bringen. Ich habe zweimal geheiratet und mich zweimal scheiden
lassen. Und jetzt bin ich mit meinem Ephraim."
"Ich bin ihm vor acht Jahren begegnet. Er wurde damals vom
österreichischen Bundespräsidenten für seine Bücher mit dem
Österreich-Preis ausgezeichnet. Eigentlich wollte ich nicht zur Feier zu
Ehren einer anderen Berühmtheit gehen. Ich wollte selber glänzen. Ich
setzte mir ein goldenes Käppchen auf, und so erschien ich bei der
Festlichkeit." Kishon gesteht, dass er sich sofort in sie verliebt hat,
und zwar angeblich wegen ihrer Stupsnase.
"Ephraim ist in Österreich und Deutschland sehr berühmt. Aber ich
hatte keines seiner Bücher gelesen. Gleich nach unserer ersten Begegnung
hatte ich es sehr eilig, das nachzuholen.
Ich besorgte mir auf Deutsch die Kishon-Biographie von Jaron London.
Noch bevor ich das Buch ausgelesen hatte, war ich in Ephraim verliebt -
in seine Einstellung zum Leben, die Tatsache, dass er sich nicht viel
aus Geld, Ehre und Ruhm macht. Ich dachte mir im Stillen, dass dies der
Mann ist, den ich mir wünsche, und wartete voller Ungeduld auf unsere
nächste Begegnung. Nach einigen Wochen hat uns unser Verleger auf der
Frankfurter Buchmesse miteinander bekannt gemacht."
"Sie hat so strahlend und sexv ausgesehen. Irgend etwas an ihr hat
mich in Wallung gebracht. Ich habe ihr einen feuchten Kuss auf die Wange
versetzt, genau genommen drei Küsse, und sie war sehr aufgeregt, das
habe ich gespürt," erinnert sich Kishon, und wieder lacht Lisa laut auf,
woraufhin Kishon ihr innig die Hand küsst, als erlebe er von Neuem jene
erste Begegnung.
"Ephraim hatte bis dahin schon eines meiner Bücher gelesen - einen
Roman über eine Frau, die eine Art Sexkatze ist. Er hat angenommen, ich
hätte über mich selber geschrieben," meint Lisa. und Ephraim wirft in
echt Kishon'schem Sarkasmus, aber auf Hebräisch dazwischen: "Eine
Sexkatze, aber nur mit mir", und Lisa bittet um eine Übersetzung.
"In meinem Buch schreibe ich über die verwickelten Beziehungen
zwischen Ihm und Ihr", erzählt Lisa Kishon, "über eine Frau und ihren
Geliebten, über einen verheirateten Mann, der mit zwei Frauen lebt, und
alle möglichen Beziehungen zwischen Partnern. Wie es auch im wirklichen
Lehen vorkommt, nicht wahr?" meint Lisa.
"Sie ist sehr klug, klug genug, um das hinter ihrem ausgelassenen und
charmanten Lachen zu verbergen. Sie ist eine gebildete und scharfsinnige
Frau," schmeichelt ihr Kishon.
"Ich liebe diese meine Frau sehr"
Mit seiner Frau Sara, die an Krebs gestorben ist, war Ephraim Kishon
44 Jahre lang verheiratet. "Ich war ein außergewöhnlicher Ehegatte. Ich
war mit ihr all diese vielen Jahre lang ohne auch nur eine Minute Pause
verheiratet. Ich habe Sara gesagt, dass ich sie sogar in Gedanken keinen
Augenblick verlassen habe. Nein, ich war kein idealer Ehemann. Einen
solchen gibt es nicht. Meine selige Frau pflegte mit dem für sie
typischen Humor zu bemerken, ich sei ein so guter Ehemann, dass es sich
lohnen würde, wenn auch andere Frauen etwas von mir hätten."
"Aber ich war der Mann einer einzigen Frau. So bin ich von Natur aus.
Ich bin nicht zum Don Juan geboren, und ich bin nicht fähig, eine
Beziehung mit einer Frau einzugehen, der ich mich nicht auch seelisch
verbunden fühle. Sara und ich waren der lebende Beweis dafür, dass nicht
die Leidenschaft des feurigen italienischen Liebhabers das Wichtigste im
Eheleben ist, sondern die gegenseitige Achtung."
"Obwohl ich den Holocaust durchmachte und der Nazi-Hölle entronnen
bin, muss ich gestehen. dass das Allerschlimmste in meinem Leben die
Krankheit meiner Frau war. Mit ansehen zu müssen, wie sie allmählich
dahinsiecht. Diese Ohnmacht, das Wissen, ihr nicht helfen zu können. Sie
so sehr leiden zu sehen und sie anlügen zu müssen, bis zum Ende. Sie ist
kurze Zeit vor meiner Auszeichnung mit dem Israel-Preis gestorben. Ich
bin bei der Preisverteilung in Tränen ausgebrochen. Meine Frau Sara hat
es nicht mehr erlebt, mich den Preis entgegennehmen zu sehen."
"Gewissensbisse - nein, die hatte ich nicht. Ich war an ihrer Seite
bis zu ihrem letzten Atemzug. Ich habe sie sehr geliebt. Und jetzt liebe
ich diese Frau, meine Frau sehr. Und was noch seltsamer ist - auch sie
liebt mich."
"Als ich Lisa heiratete, schrieben die Medien, dass sie jünger
aussieht als sie in Wirklichkeit ist. Als wäre ich, der Greis, verrückt
geworden und hätte mich in irgendein kleines Mädchen verliebt.
Das Eindringen in die Privatsphäre ist rücksichtslos und grausam. Ich
habe Prinz Charles geschrieben, dass ich sehr bedauere, was man ihm
angetan hat, als man den Inhalt seiner Gespräche mit seiner Geliebten
veröffentlichte. Er hat mir ein Dankschreiben geschickt. Auch seiner
Geliebten habe ich einen Brief geschrieben. Ich habe nachempfunden, wie
ihnen zumute ist."
Vor einigen Monaten teilte Ephraim Kishon seinen Kindern aus den Ehen
mit seinen beiden vorhergehenden Frauen mit, dass er der Frau begegnet
ist, die er liebt und heiraten möchte.
"Sie haben das begrüßt. Ich habe dafür gesorgt, dass meinen Kindern
eine gute Erziehung zuteil wird, und ich habe ihnen große Wohnungen
gekauft. Ich bin ein guter Vater, und meine Kinder achten mich. Na ja,
sie sind auch ein wenig stolz auf mich, aber sie glauben, dass ich ein
seltsames exotisches Phänomen bin."
Peres und Rabin haben mich irregeführt
Aber Kishon will nicht nur über Liebe sprechen. Auch das politische
Geschehen liegt ihm am Herzen: "Heute bedaure ich es, dass ich für das
Osloer Abkommen war. Ich mache mir keinerlei Selbstvorwürfe, denn Peres
und Rabin haben mich irregeführt. Sie haben mir nichts von der
nazistischen Hetze in den palästinensischen Kindergärten berichtet. Sie
haben gesagt, dass der Friedensprozess fortgesetzt werden muss, trotz
des Terrors."
Und was denkt Ephraim Kishon über Scharons Bereitschaft zur
Errichtung eines palästinensischen Staates?
"Ich stehe in guten Beziehungen zu Ministerpräsident Ariel Scharon.
Als das Fernsehen die Live-Sendung "So ein Leben" über mein Leben
ausstrahlte, rief er im Studio an, um mir zu sagen, dass er mit mir
weint und dass er und sein Sohn Omri zu meinen Fans gehören. Ich beneide
ihn nicht. Er könnte es fertig bringen, den Rückzug bis zu den Grenzen
von 1967 zu veranlassen. Andererseits, wenn wir uns den Amerikanern
widersetzen, werden wir die einzige nicht antisemitische Macht der Welt
als Verbündete verlieren."
"Ich sehe und ich weiß, dass die ganze Welt antisemitisch ist und auf
unser Versagen wartet. Mit Ausnahme der Amerikaner. Leider ist der
Nazismus nur militärisch besiegt worden.
Die antisemitische Ideologie ist bestehen geblieben. Ich habe mein
ganzes Leben lang versucht, gegen den Antisemitismus anzukämpfen, aber
ich habe den Kampf verloren. Das steckt ihnen in den Genen." Lisa stimmt
dem zu. "Die Feinde Israels zerfrisst der Neid, dass sich die Juden und
die Israelis einen Staat aufgebaut haben, trotz all dem, was sie
durchlebt haben, und dass es ihnen gelungen ist, ihren Staat derart zum
Blühen zu bringen." Und Ephraim Kishon ist wieder einmal zu Tränen
gerührt.
IN / 05-06-03
hagalil.com /
16-06-03
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