Oberwachtmeisterin Schuruk Mazarwe ist die erste Polizistin im
Norden des Landes, die zur Ermittlerin in Fällen von Gewalttätigkeiten
in der Familie ernannt wurde. "Für meine Mutter war das ein Schock; sie
wollte, dass ich Rechtsanwältin werde", sagt Schuruk.
"Der neue Fachjargon mit seinen aus Anfangsbuchstaben gebildeten
Kurzbezeichnungen, an die ich mich während meiner Einführung in den
Polizeidienst gewöhnen musste, war für mich komplizierter als
Chinesisch", erinnert sich mit einem Lächeln die Oberwachtmeisterin
Schuruk Mazarwe - die erste muslimische Polizei-Ermittlerin bei Fällen
von Gewalttätigkeit in der Familie im Bezirk von Wadi Ara. "Der MT"CH
sei gerade in einer Sitzung mit dem MM"R und beide würden Sich dann
gemeinsam nach oben zum MM"S begeben, sagte man mir, und ich hatte keine
blasse Ahnung, wovon die Rede war. Also bat ich einen der Polizisten,
mich darüber aufzuklären, denn als junge Araberin wusste ich mir unter
einem 'Kommandanten' nichts vorzustellen, und die gesamte militärische
und polizeiliche Begriffswelt war mir neu."
Schuruk Mazarwe, eine 26 Jahre alte Rechtsanwältin, hat laut "Jedioth
Achronoth" den Polizei-Oberkommandanten Schlomo Mena-chem, den
vorherigen Leiter des Ermittlungsdezernats der Bezirkspolizei Iron, sehr
beeindruckt, als sie vor mehr als zwei Jahren im Auftrag einer ihrer
Klientinnen in dessen Dezernat erschien. Er bat sie in sein Büro und
machte ihr auf der Stelle den Vorschlag, in den Dienst der Polizei
einzutreten. "Dieser Vorschlag hat mich sehr überrascht, und ich bat um
etwas Bedenkzeit", erinnert sie sich, "aber er war hartnäckig und
vereinbarte für mich einen Vorstellungstermin bei der
Ermittlungskommandantin des Bezirks. Von da an entwickelten sich die
Dinge sehr rasch, und jetzt trage ich Polizeiuniform. Ehrlich gesagt,
wollte ich schon immer Polizistin sein, und der Zufall hat ins Schwarze
getroffen."
Dank dem Großvater
Schuruk Mazarwe ist im Wadi Ara in dem arabischen Dorf Kafr-Kara als
Tochter eines der bedeutendsten Geschäftsleute des Dorfes zur Welt
gekommen. Sie ist das siebente von elf Kindern. Ihre Familie gehört
einer der größten Sippen im israelisch-arabischen Sektor an. "Es ist ein
tolles Erlebnis und ein Vergnügen, in einer so großen und
weitverzweigten Familie aufzuwachsen. Seit frühester Kindheit wuchs ich
in die Jurisprudenz hinein. Mein Großvater war ein bekannter
Immobilienfachmann, der sehr viele Rechtsanwälte beschäftigte. Er hat
mir immer gesagt, dass er am liebsten alle diese Rechtsanwälte
fortschicken und mich als seine Rechtsberaterin beschäftigen würde.
Außerdem haben alle meine Schwestern sehr jung geheiratet, obwohl sie
ausgezeichnete Schülerinnen waren. Aus diesem Grunde waren die
Erwartungen meiner Familie, dass ich Rechtsanwältin werde, sehr groß."
Schuruk Mazarwe absolvierte das Gymnasium in ihrem Dorf mit
Auszeichnung (mit dem Durchschnittsnotenwert 108) und schwankte in der
Wahl ihres Studienfaches zwischen Medizin und Jura. Kurz vor ihrem
Studiumbeginn starb ihr Großvater, und daher beschloss sie, in
Berücksichtigung seines geistigen Vermächtnisses Jura zu studieren. Sie
schrieb sich zum Jurastudium im Zentrum für interdisziplinäre Studien in
Herzlija ein und studierte dort gemeinsam mit einigen Söhnen und
Töchtern berühmter Väter und Großväter, wie dem Rabin-Enkel Jonathan
Ben-Arzi, der Tochter von Dov Weissglas, dem Sohn von Jitzchak
Mordechai, und anderen.
"Das Studium war nicht schwer. Nur sehr wenige Araber haben mit mir
studiert. Ich hatte keinerlei Befürchtungen vor meiner ersten
unmittelbaren Begegnung mit Juden, denn kh habe Juden von früher her gut
gekannt", erinnert sie sich.
Schuruk Mazarwe bestand das Examen für den ersten akademischen Grad
(BA) mit der Durchschnittsnotenbewertung 90. Dazu erklärt sie: "Wer
einer Minderheitsgruppe angehört, ist immer besonders stark motiviert,
sich auszuzeichnen."
Unmittelbar nach Erhalt ihres Diploms begab sie sich auf eine längere
Reise ins Ausland. Nach ihrer Referendarzeit in Tel Aviv schloss sie
sich einer Anwaltkanzlei in Baka el Gharbije an, wo sie bis zu dem Tage
arbeitete, an dem sie in den Polizeidienst trat.
Dazu sagt sie: "Die ganze Idee war nicht so einfach, denn es gab
keine arabischen Polizistinnen, und für meine Mutter war es ein Schock.
Mein Vater unterstützte mich und sprach mir Mut zu, besonders in
schweren Augenblicken. Harte Diskussionen kamen bei uns daheim auf, als
ich gezwungen war, in der Basis zu übernachten. Diese Angelegenheit hat
auch immer wieder Diskussionen mit meiner Mutter ausgelöst."
Übernachtung außer Haus
Um an dem exklusiven Vorbereitungslehrgang für polizeiliche Ermittler
in der Polizeischule teilnehmen zu können, sah sich Schuruk Mazarwe
erstmals gezwungen, außer Haus zu übernachten. "Mutter war sehr besorgt.
Sie fürchtete um meinen Ruf, weil ich die einzige muslimische Polizistin
war. Sie wollte, wie eine "echte polnische Mutter", dass ich
Rechtsanwältin und nicht Polizistin werde. Nur alle zwei Wochen kam ich
nach Hause, und das war hart für meine Eltern. Alles war dort neu für
mich, denn ich habe nicht beim Militär gedient. Auf einmal gab es
Appelle, einen Speisesaal und Befehle. Niemals zuvor in meinem Leben war
ich all dem begegnet. Der Vorbereitungslehrgang hat mir eine Perspektive
zu den Tatsachen des Lebens vermittelt, und ich habe gelernt, mich
Vorgesetzten zu fügen - eine durchaus positive Eigenschaft."
FRAGE: Wie reagierte man in Ihrem Dorf auf Ihre Tätigkeit?
Antwort: "Die Leute fragen mich, was ich eigentlich tue, denn nicht
alle wissen, dass ich Polizistin bin. Das Dorf hat immerhin 20.000
Einwohner. Manche von ihnen glauben, dass ich 'draußen' keinen Erfolg
hatte und deshalb diese Tätigkeit gewählt habe. Ihnen erkläre ich, dass
meine Tätigkeit gerade besonderen Erfolg beweist und ich sehr stolz
darauf bin, Polizistin zu sein."
Schuruk Mazarwe kümmert sich im Rahmen ihrer Arbeit (unter Aufsicht
ihres Vorgesetzten Vizekommandant Jaakov Sigron) um Hunderte von
arabischen und jüdischen Frauen, die der Gewalttätigkeit innerhalb ihrer
Familien zum Opfer gefallen sind. Dazu erklärt sie: "Wenn arabische
Frauen, die geschlagen wurden oder sexuellen Gewalttaten ausgesetzt
waren, mir gegenüberstehen, wirkt das sehr beruhigend auf sie, weil ich
ihre Mentalität kenne. Ich spreche mit ihnen in ihrer Sprache und
verstehe alle heiklen Momente."
"Ich verspüre die Veränderung, die in den misshandelten arabischen
Frauen in dem Moment vor sich geht, in dem sie mir gegenüberstehen und
mir ihr Herz ausschütten. Es gibt misshandelte Frauen, die sich erst
telefonisch beim Polizeirevier erkundigen, ob ich dort bin, bevor sie
sich ins Revier wagen. Manche rufen mich sogar zu Hause an. Bis heute
hatte ich nur vereinzelte Fälle, in denen der Verdacht auf mögliche
Interessensgegensätze aufkam, so dass ich die weitere Behandlung anderen
Ermittlern übergeben musste."
FRAGE: Spüren Sie eine Veränderung?
ANTWORT: "Die arabischen Frauen haben jetzt Mut bekommen, zur Polizei
zu gehen und sich zu beschweren. Während eine misshandelte arabische
Frau noch bis vor kurzem verängstigt und unter dem Druck der
Gesellschaft geschwiegen hat, weiß sie heute ihre Rechte wahrzunehmen.
Wir Polizisten sind für sie die erste Adresse, an die sie sich wenden.
Die arabische Frau empfindet heute, dass die Polizei ihre erste Hilfe,
ihre wahre Stütze und die richtige Anschrift ist. Sie stellen Ansprüche
an mich und vergewissern sich, dass ich ihre Erwartungen auf rasche und
professionelle Behandlung ihres Falles erfülle. Wenn heute bei uns eine
Beschwerde über Gewalttätigkeit in der Familie eingeht, ist sofort das
gesamte Polizeirevier auf den Beinen."
FRAGE: Wie verhalten sich die Männer Ihnen gegenüber?
ANTWORT: "Auch die gewalttätigen Männer haben Respekt vor mir. Noch
nie bin ich von einem gewalttätigen Mann angegriffen worden, während ich
ihn im Revier ins Verhör nahm. Ich habe neuerdings sogar Fälle erlebt,
in denen die Familie des gewalttätigen Mannes die misshandelte Frau
unterstützt und sie angespornt hat, gegen ihren Mann Beschwerde
einzureichen."
Schuruk Mazarwe, an die sich bisher schon Dutzende junger arabischer
Frauen gewandt haben, die auch in den Dienst der Polizei eintreten
wollen und in ihr ein nachahmenswertes Vorbild sehen, schmiedet schon
neue Pläne für ihre weitere Karriere bei der Polizei: sie will einen
Lehrgang für Ermittlungsoffiziere der Polizei absolvieren, um als
Offizierin in das Revier von Iron zurück zu kehren.
Dieser Plan wird sie nicht davon abhalten, bald ihren Auserwählten,
einen Doktor der Rechtswissenschaften aus dem Dorf Semer im
israelisch-arabischen ''Dreieck" zu heiraten, der in Frankreich Jura
studiert hat und vor kurzem nach Israel zurückgekehrt ist.